Zwangseinweisungen in geschlossene psychiatrische Einrichtungen wie diese im bayerischen Parsberg sollen im Freistaat mit dem neuen Gese...
Zwangseinweisungen in geschlossene psychiatrische Einrichtungen wie diese im bayerischen Parsberg sollen im Freistaat mit dem neuen Gesetz erleichtert werden Foto: Armin Weigel/dpa |
Wegsperren wird offenbar zum einzigen Prinzip der bayerischen Innenpolitik. Seit Wochen wird gegen das geplante neue Polizeigesetz protestiert, das unter anderem eine zeitlich unbegrenzte Inhaftierung von »Gefährdern« erlaubt. Jetzt nimmt die CSU-Landesregierung Menschen mit seelischer Beeinträchtigung ins Visier. Am heutigen Mittwoch bringt sie das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) in den Landtag ein, das die Möglichkeiten für eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie ausweitet. Zudem soll eine »Unterbringungsdatei« angelegt werden, in der mindestens fünf Jahre Informationen über alle auf Anordnung eines Gerichts in die Psychiatrie Eingewiesenen gespeichert werden, darunter Name, Familienstand, Krankheitsbezeichnung und Dauer der Unterbringung.
Nach dem Missbrauch der Psychiatrie in der Zeit des Hitlerregimes hat der Gesetzgeber strenge Anforderungen an eine Zwangseinweisung festgelegt. Ein Gericht muss eine klare Selbst- oder Fremdgefährdung feststellen. Das neue Gesetz würde nach Ansicht von Kritikern der Willkür Tür und Tor öffnen. Denn künftig soll gegen seinen Willen in eine psychiatrische Einrichtung gesteckt werden können, wer »Rechtsgüter anderer, das Allgemeinwohl oder sich selbst« gefährdet.
Damit würden psychisch Kranke »in massiver Weise diskriminiert«, sagte Matthias Seibt vom Bundesverband Psychiatrieerfahrener am Dienstag gegenüber jW. Die CSU leiste mit ihrem Gesetz dem Vorurteil vom »gemeingefährlichen Verrückten« Vorschub. Dabei hätten Studien längst belegt, dass psychisch Kranke nicht häufiger straffällig werden als Menschen ohne Diagnose. Margit Berndl vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Bayern kritisierte laut Spiegel online, psychisch kranke Menschen würden im Gesetzentwurf »wie Kriminelle behandelt«.
So sieht das auch Sylvia Gabelmann, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte der Linksfraktion im Bundestag. »Bayern will aus Menschen mit psychischen Erkrankungen Straftäter machen«, sagte sie am Dienstag im Gespräch mit jW. Werde das Vorhaben umgesetzt, würden sie ihrer Freiheits- und Persönlichkeitsrechte beraubt. Gabelmann sieht Parallelen zu den geplanten weiteren Verschärfungen des bayerischen Polizei-Aufgaben-Gesetzes (siehe dazu jW-Schwerpunktseite am 27.2.). Gabelmann: »Auch hier überholt die CSU die AfD mittlerweile rechts.«
In der Süddeutschen Zeitung (Montagausgabe) übte Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion, scharfe Kritik an dem Gesetzesentwurf. Er enthalte nur vier Paragraphen, die Hilfe für Kranke thematisierten, aber 35, in denen es um ihre »Unterbringung« zum Zwecke der Gefahrenabwehr gehe. Positiv an dem Vorhaben sei lediglich der Aufbau eines flächendeckenden psychiatrischen Krisendienstes. »Fast alle anderen Vorschriften orientieren sich am Strafrecht und am Maßregelvollzug für Straftäter«, urteilt der Jurist Prantl. Zu befürchten sei eine »Mollathisierung des Rechts«, schrieb er mit Blick auf den Fall Gustl Mollath. Der stand 2006 in Nürnberg wegen diverser Delikte vor Gericht, wurde für schuldunfähig erklärt und in den Maßregelvollzug der forensischen Psychiatrie eingewiesen. Aufgrund »stets fortgeschriebener Gefährlichkeitsgutachten« (Prantl) wurde er dort bis 2013 festgehalten. Erst das Bundesverfassungsgericht hob alle Unterbringungsbeschlüsse auf.
Breite Ablehnung erfährt auch die geplante Unterbringungsdatei, in der Daten der Patienten vom Namen bis zur Diagnose gespeichert werden und für Behörden inklusive der Polizei zugänglich sein sollen. Die SPD-Landtagsabgeordnete und Gesundheitsexpertin Kathrin Sonnenholzner sagte dem Bayerischen Rundfunk (BR) am Dienstag, die Psychiatrie gerate mit einer solchen Datei in Verruf. Zu Recht werde »mehr Stigmatisierung« befürchtet. So würden Menschen mit Depressionen »behandelt wie verurteilte geisteskranke Verbrecher«.
Die Landesregierung will mit dem BayPsychKHG, das das Unterbringungsgesetz von 1992 ablösen soll, nach eigenen Angaben die Zahl der Zwangseinweisungen senken. Der Freistaat hat laut BR mit 60.000 nicht freiwilligen Unterbringungen allein im Jahr 2015 die Spitzenposition in Deutschland inne.
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