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Kalter Krieg: »Wo immer er auftritt!«

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Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit stellte sich in der Öffentlichkeit als Streiterin für Menschenrechte, sie zielte aber vor allem auf Sabotage in der Sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR – der Leiter der Kampfgruppe und spätere Begründer des Museums am Checkpoint Charlie Rainer Hildebrandt bei einer Kundgebung in Westberlin (o. D.)

Foto: picture-alliance / dpa

Am 17. Oktober 1948 hielt eine Solidaritätsgruppe für ehemals in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Inhaftierte und »Ostflüchtlinge« gemeinsam mit der »Antikommunistischen Arbeitsgemeinschaft«, der »Studentenschaft der FU Berlin«, der »Jungen Union« (JU) und den »Jungen Liberaldemokraten« eine Veranstaltung im Titania-Palast in Westberlin ab. Sie stand unter dem Motto »Nichtstun ist Mord«. Das war das offizielle Gründungsdatum der »Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit« (KgU). Ein halbes Jahr später, am 23. April 1949, folgte durch die Alliierte Militärkommandantur in Westberlin die offizielle Anerkennung als »politische Organisation«, die laut Satzung »ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Aufgaben« ausübt. Unter den 25 Lizenzträgern waren der Vorsitzende der JU, Ernst Benda, der FDP-Abgeordnete Herbert Geisler und der Pressereferent des Westberliner Senats Hans Emil Hirschfeld. Die Kampfgruppe sollte sich sehr schnell nach ihrer Gründung zu einer der aktivsten und radikalsten Widerstandsgruppen gegen die SBZ/DDR entwickeln.

»Ein einziges KZ«

Den politischen Ausgangspunkt für das Wirken der KgU bildete die aufgeheizte Situation in Berlin im Sommer 1948, als die Stadt zum Kampffeld des »Kalten Krieges« wurde. Zu dieser Zeit gab es in Westberlin ein Geflecht aus 80 (halb-) staatlichen und privaten Organisationen, die eine Strategie des »Rollbacks« (Zurückdrängung) verfolgten. Der Sozialismus sollte nicht nur mit »kalten«, d. h. politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen, sondern auch mit »heißen«, also militärischen Mitteln bekämpft werden. Eine solche Strategie verfolgte auch die KgU, in deren Reihen es schon in der Gründungsphase Ideen für eine bewaffnete Untergrundbewegung gab. Wie bei anderen Gruppen auch bildete ein scharfer Antikommunismus die ideologische Basis der KgU. Zur Weltsicht der Mitglieder gehörte die »Totalitarismustheorie«, in der die Naziherrschaft und der Sozialismus gleichgesetzt wurden. In der KgU kam es noch zu einer Überhöhung des »kommunistischen Feinds«. In einer Rede bezeichnete Mitbegründer Rainer Hildebrandt 1949 »die Ostzone« als »ein einziges KZ« und nannte die »Foltermethoden der Nazis (…) ein Kinderspiel« im Vergleich zu der »Zermürbungskunst der sowjetischen Geheimpolizei«.¹ Ernst Tillich, der spätere Leiter der KgU, folgerte, es müsse ein »antikommunistisch-antitotalitärer Kampf gegen das sowjetkommunistische Regime im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands« geführt werden, um die »rote Diktatur ins Wanken« zu bringen. Die KgU verstand sich dabei, so Tillich weiter, als »echte nationale Bewegung«, die neben der »radikalen Ausschaltung der Kommunisten« auch die »Einheit Deutschlands« anstrebe.² Diese Ausrichtung fand ihren Niederschlag in einer später von den Mitgliedern der KgU zu unterschreibenden Erklärung, wonach sich jedes Mitglied zur »Bekämpfung des Kommunismus, wo immer er auftritt«, verpflichtete.

Die Gründung der KgU stieß in der westlichen Öffentlichkeit auf breite Zustimmung, schließlich entsprach die antikommunistische Ausrichtung in Westdeutschland dem parteiübergreifenden Konsens des »Kalten Krieges«. Zunächst noch von einzelnen Spendern, darunter das Rote Kreuz und die Caritas, unterstützt, erhielt die KgU ab Herbst 1949 von staatlichen Stellen wie dem Westberliner Senat und dem »Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen« (BMG) finanzielle Unterstützung in einer Höhe von bis zu 5.000 DM pro Monat.

Der westdeutsche Staat honorierte damit vor allem die Flüchtlingsarbeit der KgU, die dafür eigens zwei Abteilungen eingerichtet hatte: den »Suchdienst«, in dessen Rahmen umfangreiche Informationen zu den Schicksalen von Häftlingen in der SBZ gesammelt und Listen über vermeintliche »Ostspione« angefertigt wurden; und den »Flüchtlingsdienst«, der Gutachten zu Ostflüchtlingen abgab. Zu dieser Abteilung zählte auch die vom ehemaligen Mitglied der Waffen-SS Leo Wolfgang Müller geführte »Zentralkartei«, in der jede Information zur politischen, wirtschaftlichen, sozialen und militärischen Entwicklung in der DDR gesammelt wurde. Hinzu kam als dritter Bereich die »Ostberatung«, die für die Unterstützung antikommunistischer Gruppen in der DDR zuständig war. Darüber hinaus wurden Spezialreferate gebildet, die mit Hilfe von Vertrauensmännern (V-Männern) Spionage betrieben. Die von der KgU gesammelten Informationen über staatliche Einrichtungen und Daten über mehr als eine halbe Million DDR-Bürger weckten auch das Interesse US-amerikanischer Stellen. Als erstes nahm die Leitung des »Counter Intelligence Corps« (CIC) Ende 1948 Kontakt zur KgU auf. Sie zahlte monatlich 1.000 DM an die Organisation und übernahm deren Miete. Im Gegenzug erhielt man nachrichtendienstliches Material. Zum Hauptgeldgeber der Gruppe stieg aber das zur CIA gehörende »Office of Policy Coordination« auf, von dem die KgU ab 1950 die Hälfte ihrer Einnahmen – der Etat stieg auf 20.000 DM pro Monat – erhielt.

Propagandakrieg gegen die DDR

Zweiter Schwerpunkt der KgU war die Propagandatätigkeit, die auf lange Sicht darauf ausgerichtet war, antikommunistisch eingestellte Bevölkerungsschichten auf die Widerstandsarbeit zum Sturz der DDR-Regierung vorzubereiten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Abteilung III »Öffentlichkeitsarbeit« aufgebaut. Zu dieser gehörten eine Pressestelle und mehrere Referate, die sich mit verschiedenen Lebensbereichen der DDR-Bevölkerung beschäftigten, sowie ein technisches Zentrum und drei Ballonstartbasen. Damit besaß man die geeignete Infrastruktur, um eine Vielzahl von antikommunistischen Flugblättern, Broschüren und Zeitungen herauszugeben und in die DDR zu bringen. Das Ausmaß der Propagandatätigkeit der KgU zeigte sich bei der sogenannten »F-Aktion« (»Freiheit« und »Feindschaft«) im Juli 1949, als 900.000 Flugzettel über der DDR abgeworfen und Häuserwände mit einem symbolischen »F« bemalt wurden. Bei der Propagandatätigkeit setzte die KgU-Leitung vorwiegend auf junge Männer, die im Geist eines radikalen Antikommunismus aufgewachsen waren. Zu ihnen gehörte auch der erst 18jährige Hermann Joseph Flade, der am 15. Oktober 1950 bei der Verteilung von KgU-Flugblättern von Volkspolizisten gestellt wurde, daraufhin ein Messer zog und mehrfach auf die Polizisten einstach.

Ende 1949 ging die KgU zu Drohungen und gewaltsamen Angriffen gegen Funktionäre in den Staats- und Wirtschaftsorganen der DDR über. Die Methoden waren vielfältig. Beispielsweise wurden jede Woche die Namen und Adressen von vermeintlichen Unterstützern und Spitzeln der DDR medienwirksam im Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS), einem engen Partner der KgU, verlesen. Außerdem wurden Drohbriefe an Funktionäre verschickt, mit dem Hinweis, dass man sie registriert habe und nach der angestrebten Wiedervereinigung zur Rechenschaft ziehen werde. Was man sich darunter vorstellte, zeigen die von der KgU angefertigten falschen Postwertzeichen, die DDR-Briefmarken ähnelten, und Staatspräsident Wilhelm Pieck mit einem Strick um den Hals zeigten. An Frauen von SED-Funktionären wurden Trauerkarten mit der Inschrift »Herzliches Beileid zum baldigen Ableben ihres Ehegatten« verschickt.

Anfang 1950 nahmen auch die physischen Angriffe gegen Kommunisten zu. Mehrere Fälle geben darüber Aufschluss, dass Schlägertrupps der KgU ihre Opfer bei gewaltsamen Überfällen zum Teil lebensgefährlich verletzten. So geschehen bei Kundgebungen der FDJ in Westberlin anlässlich der »III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten«, als eine Gruppe um Herbert Hoese und Helmut Metz an der Seite der Westberliner Polizei Festivalteilnehmer niederknüppelte. Auch andere Mittel kamen bei den Weltfestspielen zum Einsatz, wie der Fall Johann Burianek zeigt. Burianek besorgte sich von der KgU nicht nur 150 Stinkbomben, die er in die Menge werfen wollte, sondern auch 1.000 »Reifentöter« und fünf Pakete mit Brandsätzen und Phosphorampullen, womit er Anschläge auf öffentliche Einrichtungen verüben wollte. Die Brandanschläge scheiterten zwar, aber die »Reifentöter« wurden nachts auf Ausfallstraßen gestreut. Der Historiker Enrico Heitzer geht davon aus, dass bei einem solchen »durch Reifentöter verursachten Verkehrsunfall einer Kolonne mit FDJ-Fahrzeugen, die auf dem Weg zu den Weltfestspielen waren, sieben Menschen ums Leben«³ kamen. Diese sich in den Aktionen der KgU zeigende, sogar vor Mord nicht zurückschreckende Rücksichtslosigkeit sollte sich noch weiter steigern. Dafür steht auch die persönliche Entwicklung von Burianek selbst, dessen Taten von schwerer Wirtschaftssabotage bis hin zur versuchten Sprengung einer Eisenbahnbrücke reichten.

In der Tradition der Nazis

Um die Untergrundtätigkeit der KgU in der DDR besser koordinieren zu können, wurde Anfang 1950 die »Abteilung IIb« gegründet, die sich nicht ohne Grund an die während des Hitlerfaschismus bestehende »Abwehrabteilung II« des »Amtes Ausland/Abwehr« des Oberkommandos der Wehrmacht anlehnte. Das selbstgewählte Vorbild war seinerzeit zuständig für die Schwächung der gegnerischen Moral mit psychologischen Mitteln, die Herbeiführung von Aufständen sowie gezielte Sabotage. Diese Zuständigkeiten fanden sich im organisatorischen Aufbau der KgU wieder. Doch nicht nur auf diesem Gebiet knüpfte man an »alte Traditionen« an. So verfügten viele der zu dieser Abteilung gehörenden KgU-Mitarbeiter über einen reichlichen Erfahrungsschatz im militärischen Bereich und in der Spionagearbeit: Zur Abteilung gehörten mindestens zwei vormalige KZ-Wärter, etwa 40 SS-Männer und mehr als 30 Personen, die schon vor 1933 faschistischen Organisationen angehört hatten.⁴

Mit der Übernahme der Leitung der KgU durch Ernst Tillich ab Mitte 1951 wurde die Kampfgruppe endgültig auf einen gewalttätigen Kurs ausgerichtet. Wichtig hierbei wurde die neu aufgebaute »Operative Abteilung«. Dieser gehörte eine Reihe von aktiven Polizeibeamten an, die zum Stab des Berliner Polizeipräsidenten zählten. Mit ihrer Hilfe und der Einrichtung einer administrativen Störstelle sowie einer Fälscherwerkstatt kam es zu einer weiteren Professionalisierung der konspirativen Arbeit. In der »Laboratorium« genannten Fälscherwerkstatt begann man mit dem Bau von Zeitzündern, Brandsätzen und Sprengkörpern sowie der Herstellung von Säuren und Giften. Von nun an wurde für die »aktive Befreiung« der DDR mit spektakulären Gewaltaktionen gekämpft. Dazu zählen die seit Frühjahr 1951 durchgeführten Sabotageakte. Hierzu wurden allein zwischen 1951 und 1956 ca. 50.000 gefälschte Dokumente – von falschen Dienstanweisungen Ostberliner Ministerien über fingierte Lebensmittelkarten, Konsumrabatt- und Briefmarken bis hin zu erfundenen Kündigungsschreiben an ausländische Partner – in die DDR gebracht.

Neben diesen Sabotageakten setzte man schon früh auf das »Konzept der kleinen Sabotage«. Mit primitiven Mitteln (Sand, Steinen, Eisenspänen) sollten Anschläge auf die Wirtschaft durchgeführt werden. In den Akten des Ministeriums für Staatssicherheit sind viele solcher Sabotageakte aufgeführt: »Am 26.2.52 Stillegung einer 60-Tonnen-Hydraulikpresse durch Säure. Am 21.5.51 große Mengen von Trockenmilch durch Zusatz von Seife unbrauchbar gemacht; (…) im August 1952 Turbine eines Zellstoffwerks durch Verunreinigung des Turbinenöls mit Sand stillgelegt, Schaden: 250.000 DM.« Die KgU rief die DDR-Bevölkerung auch direkt zur Sabotage auf: »Tut Sand ins Getriebe der Maschinen! In die Gleisabzweigungen und Weichen klemmt Steine, und die seitlich der Schienen laufenden Signaldrähte kneift durch! (…) Mit Sprengstoff gefüllte Briketts in die Kohlenhaufen von Eisenbahnen und Fabrikmaschinen werfen!«⁵

Mit dem Einsatz von Brand- und Sprengmitteln gegen Gebäude, Brücken, Transport- und Verkehrsmittel sowie Telefon- und Energieanlagen wurde die Gewaltintensität nochmal gesteigert. Es ließe sich eine Vielzahl von derartigen, oftmals vereitelten Anschlägen aufzählen. Ein Beispiel liefert das KgU-Mitglied Gerhard Benkowitz, der 1952 mit weiteren Helfern versuchte, die Saaletalsperre im Kreis Schleiz und die Sechsbogenbrücke bei Weimar zu sprengen. Kurz vor der Ausführung konnte er verhaftet werden. Die von ihm angestrebten Sprengungen hätten die umliegenden Orte überschwemmt und die dortige Bevölkerung in Lebensgefahr bringen können. Nach der »Wende« gab es in Weimar ernsthafte Überlegungen, ob man Benkowitz für sein Wirken gegen die DDR ehren solle.

Ein weiteren Ausdruck fand der unter Tillich eingeschlagene Kurs der KgU in dem seit März 1951 vorangetriebenen Aufbau bewaffneter Strukturen auf dem Gebiet der DDR. Die Leitung der Kampfgruppe verfolgte damit das Ziel, im Falle eines ausbrechenden Krieges zwischen den Machtblöcken mit geheimen Guerilla- und Sabotageeinheiten den Kampf direkt hinter den »feindlichen Linien« aufzunehmen. Die KgU war damit direkt in die »Stay-behind-Operationen« westlicher Geheimdienste eingebunden. Dementsprechend wurden KgU-Gruppen dazu angehalten, Waffenlager mit Munition, Sprengladungen und Funkgeräten anzulegen. Eine solche Untergrundgruppe gab es etwa in Seiffen im Erzgebirge. Diese Gruppe, die aus einer faschistischen »Werwolfeinheit« hervorgegangen war, erhielt 1951 von der KgU Waffen und Munition, um für den »Tag X« gerüstet zu sein, an dem es galt, wie Rainer Hildebrandt es ausdrückte, »große Teile des Staates zum Stillstand zu bringen«.⁶

Auch Gift- und Mordanschläge standen seit Anfang 1951 auf der Tagesordnung. Dafür wurden im Laboratorium Nervengifte entwickelt, die schon beim Briefkontakt auf das Zentralnervensystem wirkten und Lähmungserscheinungen hervorriefen. Solche Briefe wurden wahrscheinlich an mehrere Partei- und Staatsfunktionäre der DDR verschickt. Es kam in diesem Zusammenhang zu einem eindeutig belegten Mordversuch an einem SED-Funktionär in Sachsen-Anhalt durch den dortigen KgU-Sachgebietsleiter und einen V-Mann. Sie planten für den 6. Juli 1951 die Ermordung des Funktionärs mit Hilfe von vergifteten Pralinen, die von der KgU geliefert werden sollten. Zum Anschlag kam es aber nicht, da der V-Mann zuvor festgenommen wurde.

Wachsende Kritik

Ende 1952 stellte die KgU unfreiwillig die meisten ihrer spektakulären Gewaltaktionen ein. Zum einen war es den Sicherheitsbehörden der DDR gelungen, viele Anschlagspläne aufzudecken und die Täter rechtzeitig festzunehmen. Allein im Jahre 1952 wurden zirka 200 Personen, die zum KgU-Umfeld gehörten, verhaftet. Laut Schätzungen wurden insgesamt 1.100 Personen verurteilt und zwischen 108 bis 143 hingerichtet.⁷ Zum anderen geriet die KgU auch in Teilen der Öffentlichkeit der BRD wegen ihrer Aktionen nach und nach in Bedrängnis. So kritisierte der evangelische Theologe Martin Niemöller im Oktober 1952: »Ich halte die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit für eine Verbrechergruppe. Ich halte die Leute für Verbrecher, die andere Leute anstiften und für sich arbeiten lassen, obwohl sie wissen, dass diese Leute geschnappt und eingesperrt werden.«⁸

Erst nachdem die Methoden der KgU in mehreren Zeitungen kritisch beleuchtet worden waren, traf die Kampfgruppe auch in staatlichen und politischen Kreisen auf Widerspruch. Daraufhin stellten westdeutsche Behörden langsam die finanzielle Unterstützung ein. US-amerikanische Stellen hingegen hielten an der KgU bis zu deren Auflösung fest, da diese sich als »extremely effective mechanism« im Kampf gegen den Kommunismus bewährt hatte. Nur durch diese Hilfe, die allein 1954 monatlich 70.000 DM ausmachte, konnte die KgU am Leben gehalten werden.

Infolge des öffentlichen Drucks und des Rückzugs von Unterstützern erklärte Tillich Ende 1952, dass »aktiver Widerstand gegenwärtig tatsächlich unverantwortlich« sei. Gleichzeitig bekräftigte er, dass man den Kalten Krieg nicht »Romantikern und Neutralisten«⁹ überlassen könne. Dementsprechend wurde zwar künftig auf schwere Anschläge verzichtet, aber die administrativen Störungen und Sabotageakte wurden fortgesetzt. Vor allem Fälschungen wurden in großer Menge weiter in Umlauf gebracht. 1955 wurden monatlich zirka 400 gefälschte Dokumente in der DDR sichergestellt.

Bei der Sabotage setzte man nun auf neue Methoden wie das Herbeiführen von Zusammenstößen beim Rangieren und das Blockieren von Eisenbahnweichen, um Güterwagen mit wertvollen Ladungen zu zerstören. Ein Beispiel ist die Tätigkeit des KgU-Mitglieds Heinz Woithe auf dem Bahnhof Wustermark in Brandenburg. Bis zu seiner Festnahme im Januar 1954 hatte er zwölf Waggons kollidieren lassen, so dass die sich in den Zügen befindenden Medikamente und das Schlachtvieh nicht mehr zu verwerten waren. Es entstand ein Schaden von 20.000 DM pro Waggon.

In den Mittelpunkt rückte aber nach 1952 die Propagandaarbeit. Dazu wurde der Ausbau der Organisation weiter vorangetrieben. Ab Mitte der 1950er Jahre verfügte die Kampfgruppe über einen Apparat aus 500 Mitgliedern und etwa 1.000 Sympathisanten und V-Männern. Damit entfachte sie einen intensiven »Propagandakrieg«. 1953 wurden mehr als 6,5 Millionen, 1957 dann schon mehr als 27 Millionen Flugblätter über der DDR abgeworfen. Daneben gab man eine Vielzahl von Zeitungen heraus. Allein von der antikommunistischen Monatszeitung Tarantel erschienen 124 Ausgaben bei einer Auflage von jeweils 250.000 Stück.

Aber ungeachtet der massiven Propagandatätigkeit geriet die KgU ab 1953 mehr und mehr in die öffentliche und politische Isolation. Es kam immer wieder zu Skandalen, und Verbündete zogen sich zurück. Am 11. März 1959 erfolgte dann auf Betreiben des BMG die Auflösung der KgU, die der Öffentlichkeit nur kurz mitgeteilt wurde, ohne dabei Einsicht über die Aktionen und Finanzen der Gruppe zu geben.

Fehlende Aufarbeitung

Die Kampfgruppe gehörte zweifellos zu den radikalsten Widerstandsgruppen gegen die DDR. Dabei ragte sie mit ihrer gewalttätigen Strategie über den Kreis derjenigen Gruppen hinaus, die ein kompromissloses Vorgehen bis hin zu Terrorakten gegen die sozialistischen Staaten befürworteten. Verlassen konnte sich die KgU bei ihrem »Kreuzzug« auf die antikommunistisch aufgeladene Medien- und Parteienlandschaft in Westdeutschland. Bis heute ist in der BRD gegen kein ehemaliges Mitglied der KgU ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen der Vorbereitung und Durchführung von gewaltsamen Anschlägen eingeleitet worden. Im Gegenteil – viele ehemalige Mitglieder wurden in den Staatsdienst übernommen, wie etwa Gerhard Finn, der Referatsleiter im BMG wurde, oder Ernst Benda, der zum Bundesrichter aufstieg.

Die in der DDR verurteilten KgU-Täter wurden nach 1990 rehabilitiert und in einigen Fällen sogar öffentlich geehrt. Ein Beispiel dafür ist die im Jahre 2007 an der FU Berlin auf Initiative des Universitätspräsidenten vorgenommene Einweihung einer Skulptur, die zehn KgU-Mitgliedern gewidmet ist. Bei der Einweihung des Denkmals stellte der damalige Staatsminister Bernd Neumann (CDU) fest, dass diese Studierenden »von der Überzeugung getragen (waren), dass es in Deutschland keine Diktatur mehr geben dürfe«.¹⁰

Anmerkungen:

1 Zit. n. Kai-Uwe Merz: Kalter Krieg als antikommunistischer Widerstand, München 1987, S. 45 f.

2 Zit. n. ebd., S. 106

3 Enrico Heitzer: »Affäre Walter«. Die vergessene Verhaftungswelle, Berlin 2008, S. 59

4 Vgl. ders.: Die braunen Wurzeln der antikommunistischen »Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit«, in: Antifaschistisches Infoblatt, Heft 4/2009

5 Zit. n. Karl Heinz Roth: Invasionsziel DDR. Psychologische Kampfführung vom Kalten Krieg zur neuen Ostpolitik, Hamburg 1971, S. 101 f.

6 Zit. n. Bernd Stöver: Die Befreiung vom Kommunismus. Amerikanische Liberation Policy im Kalten Krieg 1947–1991, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 537

7 Vgl. Heitzer: Die braunen Wurzeln

8 Zit. n. Unmenschlichkeit als System. Dokumentarbericht über die »Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit e. V.«, Berlin 1957, S. 18

9 Zit. n. Stöver: a. a. O., S. 538

10 »Ein schweres Erbe«, neon.de, 29.11.2007


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